Musik:


Kultur in der Einöde

Schon länger nix mehr geschrieben, passiert ist ja auch nicht so viel. Viel diversen Kram mal erledigt, hier ausgeholfen, da was gemacht, wofür ich vielleicht sonst nicht mehr die Zeit hätte – aber an der doofen in-der-Luft-hängen-Situation hat sich nichts grundlegend geändert, nur dass uns allmählich die Luft ausgeht.

Auf ein Konzert haben wir uns auch mal wieder gewagt, und zwar zu Subrosas Record Release in die Substanz in München, zu dem uns der Bernd von Red Can auch noch sehr freundlich eingeladen hatte. Wieder ein paar Leute getroffen, die wir schon lange nicht mehr gesehen hatten, aber nicht in dem Ausmaß wie in Nürnberg natürlich. Das Konzert war auch nicht in dem Ausmaß brilliant wie in Nürnberg, da hab ich Subrosa schon mitreissender erlebt. Keine Ahnung woran’s lag. Zu allem Überfluß wurde letztes Jahr Hugorilla seine Gorillamaske nebst Blaumann geklaut, weshalb er inzwischen ganz zivil und ohne rilla auftritt. Und auch die publikumswirksamen Einsätze habe ich vermißt, natürlich wird die lustigste Show irgendwann bei Wiederholung öde, aber das hatte schon immer etwas herzerfrischendes.
Dafür ist die Subrosa Platte, mit vollem Namen „The Subrosa Falcon Association – Where’s My Rabbit?“ sehr schön geworden, endlich mal Subrosa in vernünftigem Sound, die Demos hatten ja bisher in dieser Hinsicht nur diesen Namen verdient. Wie auf Red Can üblich mit wunderbarem Siebdruck Cover. Und was meinen persönlichen Geschmack angeht musikalisch die bisher beste Platte des Labels, ich mag ja auch Hot Snakes lieber als Samiam oder so. Knarzig-trocken-treibender Indierock mit nem bißchen Wehmut und den nötigen technischen Spielereien auf der Gitarre, damit’s schön abwechslungsreich und dynamisch bleibt.

Andere neue Musik, die bei mir rauf und runter läuft: die neue New Order, die ich für mich immer mehr zur Alben- und Gute-Laune-Sonnenschein-Band entwickeln. Eigentlich gibt es über die Platte genug überall zu lesen, aber ich find New Order immer noch erstaunlich – die einzige Band in ihrem Alter, die es Zustande bringt, zwar nicht etwas total erfrischendes zu bringen, jedoch so hohen Standard zu halten. Die viel-beschriebenen Basslinien von Peter Hook verfehlen immer noch nicht ihre Wirkung. Am nächsten dran an Ausfällen sind für mich: I told you so (doofer Refrain), Guilt is a useless emotion (Stampfbeat, Chöre, Refrain), Working Overtime (einfach zu straight), der Rest geht OK. Natürlich grenzt nix nur annähernd an ihre größten Songs, aber das erwartet hier auch niemand.

Nächstes Highlight: Supersystem. Das sind El Guapo mit neuem Drummer auf Touch & Go. Warum sie sich umbenannt haben könnt ihr hier lesen. Zum Glück ist der alte Drummer, das hyperaktive Rumpelstilzchen, das irgendwie an Ray Cappo erinnert, noch dabei, aber an den Bass gewechselt – es war schon auch immer etwas bizarr, wenn der Drummer der eigentlich Frontmann ist, während die anderen zwei eher introvertiert rumwerken. Also in diesem Sinne etwas normaler geworden, und auch in dem Sinne, dass ihre Schrägheiten im Sound nicht mehr so rausstechen – sie sind noch vorhanden, aber ihr Songwriting ist inzwischen so fantastisch, dass fast jedes Mal ein Hit dabei rauskommt. Auf eine Kostprobe hatte ich letztens schon verwiesen, aber jetzt kann auch das gesamte Album über einen Stream angehört werden, außerdem gibt es noch ein seltsames Video. Und juchuh, sie kommen auch (wieder) nach Europa, auf der letzten Tour waren El Guapo schon so richtig gut. Für mich momentan eine der besten Bands, die irgendwie Elektro-Disko-Post-Punk machen, ohne dabei in diese Retro-Schiene zu verfallen (was mir aber immer noch Spaß machen kann).

Und die dritten im Bunde sind Thunderbirds Are Now! Nein, das ist nicht die entsprechende Kampagne zu spreadfirefox.com, sondern eine Band, auf die ich erst aufmerksam geworden bin, da sie ihre neue (und unzweifelhaft beste) Platte auf French Kiss Records, dem Label von Les Savy Fav Bassist Syd, veröffentlichen. Dort gibt’s auch als Probe Eat This City, wobei das für mich noch ein relativ gesehen schwächerer Song ist – von einer durchgängig hörbaren Platte aus einem Guß. Justamustache, so der Name des Tonträgers, quillt nur über vor überschüssiger Energie und Dringlichkeit. Ein wenig erinnern sie mich an frühere Pretty Girls Make Graves, nur weniger prollig, smarter, mit mehr Wave Einschlag, mehr auf dem Punkt, und einem Sänger, der sich wie ne Sängerin anhört.

Die letzten Tage hab ich auch nach 3 Jahren mal wieder an der Static 84 Seite gearbeitet. Anlaß: aus irgendwelchen Gründen haben sie sich nochmal ins Studio geschleppt und 3 Songs für eine Split mit Driving The Salt aufzunehmen. Und dazu gibt’s dann auch noch zwei Konzerte im Juli. Das wird bestimmt wie bei Boot Down The Door am Hüttenschänke Jubiläum: ich fühl mich wie in einer Zeitmaschine, und mehr Leute als zu Lebzeiten feiern einen Zombie, und das macht dann auch noch Spaß. Es gibt jetzt auf der Static 84 Homepage auch sämtlich alten Songs zum runterladen, was mir wieder einiges Schmunzeln entlockte. Chöre wie „Season Scene Tické“ oder die Schuhschachtel-Bassdrum :-D… A propos: darauf hat die Welt auch gewartet, eine Disability-Reunion, tsts. Leider war das Konzert Anfang März im Libella für meinen Blickwinkel nicht ausreichend beworben, so daß ich erst zwei Tage später davon erfahren habe.
Da scheinen einige mit Panik in eine Regression in ihre Jugendzeit zu
verfallen ;-)… dummerweise wurde das Haus der Jugend in Traunstein dieses Jahr abgerissen, so dass ich da nicht mehr Growing Movement und Disability Konzerte veranstalten kann :-(.

Zu guter letzt hab ich mal wieder bewegte Bilder betrachtet. Wirklich erwähnenswert ist The Machinist, ein optisch schon herausragender Film mit einem bis auf körperliche-Schmerzen-beim-Zukucken abgemagerten Christian Bale, der einen Fabrikarbeiter spielt, der seit einem Jahr nicht mehr geschlafen hat und dessen Welt aus allen Fugen gerät. Ein schön paranoider Film mit Anklängen an Memento, Angel Heart und Lost Highway, und sich dabei gar nicht verstecken muß. Interessant ist mal wieder, dass dieser eigentlich amerikanische Film dort keine Geldgeber für diese Art der Umsetzung fand, weshalb er mit spanischem Geld produziert als spanischer Film gilt.
Auch nett war Million Dollar Baby, klar, Oscar, Clint Eastwood, Hillary Swank, Morgan Freeman und so, überall schon gelesen. Aber den als Boxer-Film oder zum Thema Sterbehilfe anzukündigen ist IMHO verfehlt, die Schlüsselszene war für mich, als Scrap kurz vor Schluß mit Frankie darüber spricht, dass Maggie in ihrem Leben mehr erreicht hat, als sie je zu erträumen wagte. Also eigentlich ein Film über Ziele und sein Leben leben, für das kämpfen, woran man glaubt. Das ist schon schön so, nur fehlt mir im Moment etwas der Glaube…
now playing: Subrosa – Joyeuse Garde

Noch ein Lieblingslabel in der Zunkunft angelangt

Dischord lebt und gedeiht nach wie vor, nur hatte ich mich lange Zeit gefragt, wie sie wohl das Thema Musikdownload angehen werden. Und das machen sie jetzt auch.
Und wie bisher versuchen sie drei Wege: in den großen Plattenläden (iTunes, Microsoft Music), bei Mom&Pop (downloadpunk.com) und direkt über Dischord (was noch nicht steht, genauso wie ein Teil des Backkatalogs noch fehlt). Schade, mein bisheriger Liebling eMusic ist nicht dabei. Aber schön, dass sie mit der Zeit gehen.

Zu dem Thema noch eine Meldung bei Heise, bei der ich mir dann wieder an den Kopf lange – ohne GEMA-Mitgliedschaft können Bands bei mp3.de in Zukunft ihre Songs auch verkaufen, nicht nur kostenlos anbieten. Mit GEMA-Mitgliedschaft? Das geht auch, sie „müssen aber momentan selbst die nötigen Verhandlungen mit der GEMA führen.“

PS – deutsche Variante von downloadpunk.com: Oggstar, wie der Name schon sagt setzen die auf das lizenzfreie offene Ogg-Format, da gibt’s u.a. X-Mist und Sticksister

Ted Leo zum letzten, Hörsozialisation und Konsumverzicht

Das Wochenende liegt schon etwas zurück, aber erwähnenswert war es trotzdem. Wie schon angekündigt waren wir bei dem Ted Leo + Pharmacists Konzert in Nürnberg (und auch etwas darüber hinaus, vielen Dank an Evi!). Und es war mal wieder großartig, jede Menge Freunde und Bekannte wieder zu sehen, und zu quatschen, bis ich heiser wurde.
Dazwischen war natürlich auch ein Konzert. Und im Gegensatz zu Berlin hat hier alles gepaßt. Denn Hausmischer haben auch ihre Vorteile – sie kennen die Akkustik und die Anlage halt viel besser als ein mitreisender (und die kennen oft auch die Band nicht richtig, oft genug erlebt). Andi hat das schön geregelt, Quit Your Dayjob hatten das auch positiv bemerkt. Diese waren ganz gut, etwas eintönig auf Dauer und ich hatte ja zuviel anderes im Sinn um sie mir durchgehend anzugucken. Aber schön, dass so was mit dabei war und nicht die 1000e Emotralala-Kapelle oder so, wie ich bei DEAG befürchtet hatte.
Ted Leo wirkte zu Beginn nervös und hektisch und versuchte, die Pausen zwischen den Songs möglichst kurz zu halten – er geht wohl erst in der Musik richtig auf, der Rest ist mittel zum Zweck. Aber das besserte sich je länger er spielte, die Apotheker gaben ihr übriges dazu. Seltsam, dass der Bob Ross Verschnitt am Bass keinen Tropfen Schweiß verströmte. Wohl der einzige von den mehr als 160 anwesenden Leuten im vollen, heißen Zentralcafé. Er meinte dazu, er hat ja den leichtesten Job von ihnen, aber das reicht mir nicht. Er bewegte sich zwar auch weniger als Ted, aber da gab es genug Leute, die sich weniger bewegten, kein Flanellhemd anhatten und nicht im Schweinwerferlicht standen und trotzdem tropften. Schwitzsichere Weste oder sowas. Hit folgte auf Hit (die neue Platte ist für mich eh die tighteste und beste seit der letzten Chisel LP), aber auch andere Schaffensperioden – das grandiose Timorous Me inkl. Gänsehaut am Rücken – waren gut vertreten. Ted und der Schlagzeuger waren gegen Ende eher flüssig als fest und es gab auch noch jede Menge Zugaben, sowohl Coverversionen als auch solo, die Ted sehr elegant ohne unnötiges Publikumsgejohle einleitete. Ich muß im Nachhinein immer noch Grinsen und glaube auch, dass selbst wenn ich nicht reisebedingt so ausgehungert gewesen wäre, wäre das ebenso groß gewesen.

Ist ja, wie schon erwähnt, eine Menge Wasser geflossen, bis ich endlich in den Genuß kam, Ted Leo live zu sehen. Dabei hat er und seine (ehemalige) Umgebung bei Gern Blandsten ziemlich viel für meine eigene Hörsozialisation beigetragen. War Gern Blandsten bis zu den ersten Chisel-Veröffentlichungen in erster Linie ein (auch schon ziemlich gutes) DIY-Hardcore-und-Punk-Label, war die meiste Musik, die durch meine Gehörgänge bis dahin (ca. 1996) floß, ähnlich geartet. Aber zu dieser Zeit explodierte einiges, was wir heute noch verspüren, und das kam mir gerade recht. Wenn beispielsweise ich im Intro davon lese, dass Moving Units mit ihrem Neo-New-Wave heute etwas spät kommen, frag ich mich, wo die damals waren, als z.B. Label-Macher Charles bei Computer Cougar, der ersten modernen Gang Of Four Kopie, spielte. Aber das war ja noch nicht angesagt, weshalb die bald wieder verschwanden, ohne je in den bunten Blättern den Status zu erreichen, den sie verdient hätten. Im Gern Blandsten Umfeld tat sich noch jede Menge, was Punk und Hardcore musikalisch bis zum Hip Hop sprengte, jedoch zunächst noch unter striktem Indie- und/oder DIY-Vorzeichen stand – eigentlich bis zum großen Dancepunkhype – als die Liars und Radio 4 Gern Blandsten ins Scheinwerferlicht stellten. Davor geschahen noch andere großartige Dinge, Van Pelt mit Teds Bruder Chris fällt mir da ein, die ein halbes Jahr auf Halde lagen, nachdem ich mir die Platte auf einem Hardcorefestival in Biberach (wie Jo Tornado übrigens auch) gekauft hatte, bis sie so richtig zündete. Oder World Inferno. Oder Impossible Five. Und von Artverwandten wie Les Savy Fav, der Troubleman-Ecke usw. ganz zu schweigen. Ähnliches tat sich ja auch auf der Westküste, wo The Rapture ja schon 1998 auf Gravity begeisterten. Inzwischen frag ich mich natürlich schon, ob diese musikalische Öffnung und stärkere Hinwendung auf die Musik an sich nicht auch dem Business-Prinzip stärker den Einzug ermöglicht hat, oder ob das einfach im amerikanischen Gesellschaftssystem immanent ist, und DIY eigentlich nur eine Spielwiese für aufstrebende Jungunternehmer war/ist. Jedoch ist das festhalten an eingefahrenen musikalischen Stilarten und Posen auch eher kontraproduktiv und verhindert ja auch nicht die Verbusinisierung. Was genug Tough-Guy-Gülle oder Wertkonservativpunks bestätigen. Deshalb lieber weiterhin im aufregendem Unterholz wühlen und musikalisch spannende Sachen hervorziehen, die möglicherweise demnächst in der unsympathischen Großhalle nebenan zu finden sein werden. Die Halbwertszeit für die von mir bevorzugte Konsumierweise ist ja verdammt kurz geworden, deshalb bitte ranhalten, solange noch sympathisch und ohne fahlen Beigeschmack, den Konsumverzicht kann ich dann immer noch ausüben.
now playing: Computer Cougar – Photos That Don’t Exist